Die GeoSphere Austria ist die zentrale Stelle für Erdbeben in Österreich. Sie informiert die Bevölkerung und den Katastrophenschutz bei aktuellen Erdbeben, betreibt das nationale seismische Messnetz, ist verantwortlich für die Dokumentation der Auswirkungen von Erdbeben und für die Bestimmung der Erdbebengefährdung.
Erdbeben können auch in Österreich starke Gebäudeschäden verursachen, wie Schadensbeben der vergangenen Jahrhunderte belegen. Auch wenn Erdbeben zu den unvorhersehbaren Naturphänomenen gehören, ist es möglich, sich durch erdbebengerechtes Bauen und durch richtiges Verhalten während eines Erdbebens zu schützen. Eine gezielte Prävention und ein effektives Krisenmanagement nach einem Beben können Schäden vermindern oder gar vermeiden und Leben retten.
Rasche Information für Katastrophenschutz und Bevölkerung
Wird mit dem Erdbebenmessnetz ein spürbares Erdbeben registriert, informiert der Erdbebendienst an der GeoSphere Austria das staatliche Krisenmanagement sowie Öffentlichkeit und Medien über das aktuelle Erdbeben und die zu erwartenden Auswirkungen. Durch internationalen Datenaustausch wird dabei nicht nur auf Stationen in Österreich zurückgegriffen, sondern es werden Registrierungen von über hundert seismischen Stationen in Echtzeit verarbeitet. Auch bei starken Erdbeben im Ausland wird die Situation bewertet und die GeoSphere Austria berät das staatliche Krisenmanagement über die Auswirkungen auf österreichischem Bundesgebiet oder auch österreichische Staatsbürger, die sich in einem Erdbebengebiet befinden.
Die Bodenbewegung an den Erdbebenmessstationen wird rund um die Uhr überwacht, und bei starken Erdbeben wird eine automatische Alarmmeldung an den Rufbereitschaftsdienst, der ebenfalls permanent zur Verfügung steht, versendet. Bei Alarmierung findet sofort eine manuelle Auswertung des Erdbebens statt. Die Analyse umfasst die Bestimmung der Stärke (Magnitude), Lage und Tiefe des Erdbebens sowie die Eingrenzung und Beschreibung der zu erwartenden Auswirkungen. Automatisch generierte Informationen über die Erschütterungsstärke und die Wahrnehmungen aus der Bevölkerung gewährleisten eine rasche Bewertung der Situation. Für das staatliche Krisen- und Katastrophenmanagement steht mit der Rufbereitschaft immer eine Ansprechperson zur Verfügung.
Der Erdbebendienst der GeoSphere Austria nimmt an der nationalen Multihazard Plattform AMAS teil und berät auch bei weltweiten Katastrophenbeben im Rahmen des europäischen Projekts ARISTOTLE das europäische Emergency Response Coordination Centre (ERCC).
Wie werden die seismischen Daten analysiert?
Die Analyse eines Erdbebens umfasst unter anderem die Auswertung der Seismogramme der einzelnen Stationen, die Bestimmung der Einsätze mit Hilfe der drei Komponenten (Vertikal-, Nord- und Ost-Komponente) sowie die Benennung der Ersteinsätze und nachfolgender Phasen. Es folgt die Interpretation des Ereignisses, die Bestimmung des Ereignistyps und die Analyse des Herdmechanismus bei stärkeren Erdbeben. Neben Erdbeben und Sprengungen werden auch Signale bei Explosionen oder Atomwaffentests, bei einem Überschallknall, bei einem Felssturz oder sogar die Vibrationen bei Konzerten registriert.
Können Erdbeben vorhergesagt werden?
Eine Vorhersage von Zeit, Ort und Magnitude eines Erdbebens ist nach aktuellem Stand der Forschung nicht möglich. Auch wenn sich manchmal vor größeren Erdbeben seismische Unruhe zeigt, ist es nicht möglich, auf ein bevorstehendes Ereignis zu schließen. Auch auffälliges Tierverhalten oder andere Naturbeobachtungen sind kein Indikator für das zeitnahe Auftreten eines Erdbebens. Es ist aber möglich, durch Gefährdungsanalysen die statistische Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Erdbebens mit einer bestimmten Stärke in einem konkreten Gebiet anzugeben.
Was sind Erdbeben-Frühwarnsysteme?
Frühwarnsysteme bieten die Möglichkeit, auf ein aktuell stattfindendes starkes Erdbeben schnell und effizient zu reagieren und werden in Ländern mit sehr hoher Erdbebengefahr (z.B. Japan, USA, Türkei) verwendet. Die Information, dass sich ein schweres Erdbeben ereignet hat, kann nach einer automatischen Lokalisierung oder der Registrierung der (sich schnell ausbreitenden) Primärwelle innerhalb von kürzester Zeit zur Verfügung stehen, und zwar noch vor dem Eintreffen der gefährlichen (sich langsamer ausbreitenden) Oberflächenwellen im gefährdeten Gebiet. Je nach Entfernung zum Epizentrum bleibt noch Zeit, die Bevölkerung zu warnen, sensible Anlagen abzuschalten, Züge und andere Verkehrsmittel zu stoppen sowie Brücken zu sperren. So können durch rasches Reagieren Katastrophen verhindert werden.
Was ist eine ShakeMap?
ShakeMaps liefern rasche Informationen über die von einem Erdbeben verursachten Bodenbewegungen und die von der Bevölkerung gefühlten Auswirkungen. Es wird abgeschätzt, welche Gebiete am stärksten betroffen sind und ob mit Schäden gerechnet werden muss. Die Karte wird basierend auf den Messungen an den seismischen Stationen und den automatisch klassifizierten Wahrnehmungsberichten aus der Bevölkerung unmittelbar nach dem Erdbeben erstellt und regelmäßig aktualisiert.
Erdbeben in Österreich: Zahlen und Fakten
In Österreich werden pro Jahr im Schnitt etwa 70 Erdbeben von der Bevölkerung verspürt, die sich meist durch ein deutliches Rütteln bemerkbar machen. Etwa alle zwei bis drei Jahre muss in Österreich mit leichten Gebäudeschäden gerechnet werden. Auch starke Erdbeben, die schwere Schäden an Gebäuden verursachen, sind in Österreich möglich. Sie treten deutlich seltener auf und sind etwa alle 100 Jahre zu erwarten.
Grundsätzlich können fast überall in Österreich Erdbeben vorkommen. Die meisten Erdbeben gibt es jedoch im Bereich der bedeutenden tektonisch aktiven Zonen Österreichs. Dazu gehören das Rheintal in Vorarlberg, das Inntal und seine Seitentäler, das Mur- und Mürztal, das Semmeringgebiet und das Wiener Becken.
Was ist die Ursache von Erdbeben in Österreich?
Erdbeben entstehen, wenn sich Spannungen im Untergrund ruckartig lösen, die durch die Bewegung tektonischer Platten aufgebaut wurden. Besonders häufig erfolgt dieser Spannungsabbau im Bereich geologischer Störungszonen. In Europa wird das tektonische Spannungsfeld von der Adriatischen Platte bestimmt, die nach Norden driftet und auf die Eurasische Platte trifft. Eine Folge dieser Kollision ist die Auffaltung der Alpen, die in Zusammenhang mit der Erdbebenaktivität steht.
Was waren die stärksten bekannten Schadensbeben in Österreich?
15.09.1590 – Zwei Erdbeben bei Ried am Riederberg/NÖ mit Intensitäten VIII und IX.
17.07.1670 – Erdbeben bei Hall in Tirol mit Intensität VIII.
04.12.1690 – Erdbeben nördlich von Villach/Kärnten mit Intensität VIII.
08.10.1927 – Erdbeben bei Schwadorf/Niederösterreich mit Intensität VIII.
Die Auswirkungen dieser Erdbeben konnten mithilfe der Historischen Erdbebenforschung gut bewertet und dokumentiert werden. Weniger gut belegt sind zwei weitere Ereignisse bei Katschberg/Kärnten (1201) und bei Kindberg/Steiermark (1267) mit vergleichbaren Intensitätswerten.
Wie hoch waren die maximalen Magnituden in Österreich?
Gut dokumentiert sind fünf moderate bis starke Erdbeben. Die Magnituden historischer Erdbeben vor 1900 wurden mit Intensitätsmodellen rekonstruiert.
04.12.1690 – Erdbeben nördlich von Villach/Kärnten, Magnitude 6,4.
15.09.1590 – Erdbeben bei Ried am Riederberg/NÖ, Magnitude 5,8.
07.10.1930 – Erdbeben bei Namlos/Tirol, Magnitude 5,3.
27.10.1964 – Erdbeben am Semmering/NÖ, Magnitude 5,3.
16.04.1972 – Erdbeben bei Seebenstein/NÖ, Magnitude 5,3.
Weniger gut belegt sind die Beben bei Katschberg/Kärnten (1201) und bei Kindberg/Steiermark (1267) mit vergleichbaren Magnituden.
Bereit für den Ernstfall
Die GeoSphere Austria liefert nicht nur rasche Informationen nach einem Erdbeben. Auch mit der Entwicklung von Erdbebenszenarien unterstützen die Seismologinnen und Seismologen Katastrophenschutzübungen der Bundesländer und des EU-Zivil- und Katastrophenschutzes. Solche Katastrophenschutzübungen sind wichtig, damit im Ernstfall schnell und effizient gearbeitet werden kann. Dabei wird ein fiktives, aber für die Region durchaus realistisches Erdbeben sowie Auswirkungen wie Gebäudeschäden, Bodenrisse oder Beeinträchtigung von Verkehr oder Energieversorgung definiert. Diese Erdbebenszenarien bilden die Grundlage für den Verlauf der Übung.
Für Organisationen im Katastrophenschutz, wie beispielsweise das Rote Kreuz oder das europäische Emergency Response Coordination Centre (ERCC), werden darüber hinaus auch Schulungen angeboten.
Schäden Vorbeugen durch Bestimmung der Erdbebengefährdung
Auch mit Informationen zur lokalen Erdbebengefährdung trägt die GeoSphere Austria zur Sicherheit bei. Erdbeben können in Österreich fast überall auftreten, wobei manche Regionen stärker betroffen sind. Aus den Kenntnissen der Tektonik, Geologie und Erdbebengeschichte wird die durchschnittliche Häufigkeit und Stärke von Erdbeben abgeschätzt. Dieses Wissen trägt zur Risikoverminderung bei, indem in gefährdeten Gebieten eine erdbebensichere Bauweise angewendet wird oder bestehende Bauten gezielt verstärkt werden. Als Maßnahme zur nachhaltigen Erdbebenvorsorge liefert die GeoSphere Austria die Basisdaten für die Entwicklung von Richtlinien und für die Planung von erdbebensicheren Bauwerken.
Für die Forschung und Entwicklung im Bereich der Erdbebengefährdung sind Daten aus verschiedenen Bereichen und ein Erdbebenkatalog über einen möglichst langen Zeitraum von entscheidender Bedeutung. Es fließen die Ergebnisse der historischen Erdbebenforschung bis hin zu den rezenten instrumentellen Registrierungen des Erdbebenmessnetzes mit ein. Die Auswirkungen von Erdbeben, wie Gebäudeschäden, werden durch Wahrnehmungsmeldungen aus der Bevölkerung und durch lokale Begehungen im Epizentrum nach dem Erdbeben erfasst und dokumentiert. Für bestimmte Fragestellungen liefern historische Seismogramme ab dem Jahr 1904 wertvolle Informationen. Dazu müssen sie aus dem Archiv digitalisiert werden.
In Studien oder für große Bauvorhaben stellen wir unsere Expertise für die Festlegung der Bemessungswerte und eine Abschätzung der zu erwartenden Bebenstärke bereit. Um festzustellen, ob ein Untergrund Erdbebenwellen verstärkt oder dämpft, können vor Ort Messungen durchgeführt und auf Modellierungen zurückgegriffen werden.
Warum sind historische Erdbeben auch heute von Bedeutung?
Österreich weist eine moderate Seismizität auf, wobei auch starke Erdbeben, die schwere Schäden an Gebäuden verursachen, in Österreich möglich sind. Sie traten in der Vergangenheit im Durchschnitt etwa alle 100 Jahre auf. Deshalb ist die genaue Kenntnis historischer Erdbeben aus der Zeit, aus der keine instrumentellen Messungen vorhanden sind, besonders der Schadensbeben, von großer Bedeutung. Seit der Einführung des EUROCODE-8 – dem Normenwerk für erdbebengerechtes Bauen in Europa – im Jahr 2009, ist die Erfassung und die quellenkritische Beurteilung historischer Erdbeben grundlegend, da der Beurteilungszeitraum für die Festlegung der Erdbebengefährdung von 100 auf über 450 Jahre ausgedehnt wurde. Dies hat enorme wirtschaftliche Bedeutung sowie Auswirkungen auf die Bau- und Immobilienbranche und der damit befassten Politik.
Was ist ein Erdbebenkatalog?
Der österreichische Erdbebenkatalog (AEC, Austrian Earthquake Catalogue) ist die Grundlage für eine aktuelle österreichische Erdbebengefährdungskarte nach dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik. Diese Basisdaten ermöglichen die Entwicklung von Richtlinien, die bei der Planung von erdbebensicheren Bauwerken angewandt werden (z.B. ÖNORM EN-1998-1). Der AEC stellt die Basis für alle weitere Forschung dar und gewährleistet so eine gezielte Schadensprävention. Er enthält Daten über Erdbeben, die mit der Methode der Historischen Erdbebenforschung, aus instrumentellen Registrierungen des Erdbebenmessnetzes und aus den Wahrnehmungen der Bevölkerung gewonnen wurden. Der Erdbebendienst an der GeoSphere Austria ist die zentrale Stelle für die Dokumentation der Auswirkungen von Erdbeben seit 1904.
Seismische Überwachung: von Infrastruktur bis zu Nuklearwaffentests
Die GeoSphere Austria überwacht lokale Infrastrukturen, um die Stärke von Erdbebenerschütterungen zu dokumentieren und die Auftraggeber bei Überschreitung definierter Schwellenwerte umgehend zu informieren. Beispiele sind die Überwachung und Abgrenzung von natürlicher Seismizität zu der bei Bergbau oder bei tiefer Geothermie auftretenden assoziierten Seismizität. Zu den Aufgaben gehören die Planung, Errichtung und der Betrieb lokaler Netzwerke, sowie die Einbindung des überregionalen Strong-Motion-Messnetzes. So wird in der Bundeshauptstadt Wien ein eigenes Strong-Motion-Messnetz betrieben. Im Zusammenhang mit Österreichs Bekenntnis zum umfassenden Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Test Ban Treaty, CTBT), das Atomexplosionen durch jedermann und überall verbietet, ist das Nationale Datenzentrum, dem die kontinuierliche Überwachung von potenziellen Kernwaffentests obliegt, bei der GeoSphere Austria angesiedelt.