Kritischer Rohstoff Grafit: internationale Tagung in Wien
Der Bedarf an Grafit steigt weltweit. Grafit ist unter anderem ein wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien für die E-Mobilität und wurde von der EU als kritischer Rohstoff eingestuft. Die GeoSphere Austria erarbeitet mit geologischen und geophysikalischen Methoden eine Einschätzung des Grafitvorkommens in Österreich. Von 15. bis 16. Mai 2025 veranstaltet die GeoSphere Austria den „2. Wiener Rohstofftag“ zum Thema Grafit, mit rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus neun Ländern.
Am internationalen Rohstoffmarkt spielen natürlicher und synthetischer Grafit eine große Rolle: Natürlicher Grafit besteht aus reinem Kohlenstoff und entstand in einem mehrere Millionen Jahre dauernden Prozess aus organischem, kohlestoffhaltigem Material (z. B. Algen, Humus, Faulschlamm) im Zuge von Gebirgsbildungen (unter sehr hohen Drücken wird Grafit in Diamant umgewandelt, wenn er in Tiefen unter 250 Kilometer in der Erdkruste gerät). Synthetischer Grafit wird aus Nebenprodukten der Petroleum- und Kohleindustrie hergestellt.
Seine besonderen Eigenschaften machen Grafit in vielen Bereichen zu einem unverzichtbaren Rohstoff:
- Hohe Oxidations- und Temperaturbeständigkeit: Anwendungen im Hochtemperaturbereich (z. B. Metallverarbeitung, Gießerei- und Feuerfestindustrie)
- Hervorragende elektrische Leitfähigkeit: Anodenmaterial in Lithium-Ionen-Batterien sowie in der Elektronikindustrie
- Gute Schmierfähigkeit: Zusatz in Schmiermitteln für Lager und Dichtungen
- Leichte Formbarkeit: Herstellung verschiedener Formen (z.B. für Gießerei)
- Grafitverstärkter Kunststoff „Carbon“: mehr Stabilität und Leichtigkeit zum Beispiel bei Sportgeräten (z.B. Schi, Golfschläger, Fahrradrahmen)
- Weiters Verwendung in Kupplungen und Bremsbelägen, als Grafitstäbe in Kernreaktoren, in Gipskartonplatten und für Bleistifte
Den größten Anteil an der weltweiten Produktion von Grafit hat aktuell China mit 67 Prozent, gefolgt von Mosambik mit 10 Prozent. Österreich ist eines der wenigen europäischen Länder mit Grafitbergbau (100 Tonnen im Jahr), liegt mit einem Anteil von 0,01 Prozent aber nur auf Platz 17 der weltweiten Produktion. Die Blüte erlebte der Grafitbergbau in Österreich in den 1960er Jahren mit rund 100.000 Tonnen pro Jahr.
Europa deckt den steigenden Bedarf an Grafit im Wesentlichen mit Importen. Die Europäische Union hat Grafit daher wegen des Versorgungsrisikos und der großen wirtschaftlichen Bedeutung als kritischen Rohstoff eingestuft.
Die im März 2024 von der EU verabschiedete „Europäische Verordnung zu kritischen Rohstoffen“ setzte unter anderem das Ziel, dass langfristig mindestens zehn Prozent des Verbrauchs aus europäischer Gewinnung stammen. Die einzelnen Länder sind daher aufgerufen, ihre Vorkommen an Grafit zu untersuchen.
Österreichs Grafitvorkommen liegen vorwiegend im Bereich der Grauwackenzone zwischen Semmering und Rottenmann sowie im Bereich der Böhmischen Masse von Mühlviertel und Waldviertel.
Viele der bekannten Grafitvorkommen im oberflächennahen Bereich sind in Österreich weitgehend abgebaut. Daher gilt das Interesse insbesondere den möglichen Lagerstätten in tieferen Schichten (zwischen ungefähr 50 und 300 Meter).
„Das Potenzial für Grafitvorkommen kann durch wissenschaftliche Untersuchungen charakterisiert werden“, erklärt Holger Paulick, an der GeoSphere Austria Leiter der Abteilung für Rohstoffgeologie und Geoenergie, „wir ermitteln daher mögliche Lagerstätten mit einer Kombination unterschiedlicher Methoden, wie geologischer Kartierung, geochemischer Gesteinsanalysen und speziellen geophysikalischen Methoden, die zum Beispiel über elektrische und magnetische Eigenschaften des Gesteins Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Untergrunds ermöglichen.“
Der Schwerpunkt der aktuellen Untersuchungen liegt im niederösterreichischen Teil der Böhmischen Masse. Dabei werden unterschiedliche Explorationsmethoden für Grafit erforscht und potenzielle Lagergebiete eingegrenzt. Für eine bessere internationale Vergleichbarkeit erfolgt die Klassifizierung der Lagerstättenvorräte erstmals nach dem UNFC Code der Vereinten Nationen.
Von 15. bis 16. Mai 2025 treffen sich rund 50 Expertinnen und Experten aus neun Ländern Europas zum Erfahrungsaustausch beim „2. Wiener Rohstofftag“, veranstaltet von der GeoSphere Austria. „Die Tagung behandelt heuer verschiedenste Aspekte zum Thema Grafit. Wir wollen ein Forum für die unterschiedlichen mit dem Thema befassten Bereiche schaffen“, sagt Holger Paulick, „für Forschungseinrichtungen, geologische Organisationen und Fachverbände sowie Industrie und Behörden. Es geht hier um die geowissenschaftliche Erforschung, um aktuelle Entwicklungen und Methoden der Lagerstättenfindung sowie politische und wirtschafts- bzw. soziogeographische Rahmenbedingungen.“
Bis Ende Juli 2025 zeigt die GeoSphere Austria außerdem am Standort Neulinggasse 38 in 1030 Wien eine kleine Ausstellung über den Rohstoff Grafit, mit Texttafeln und Grafit-Produkten. Zu sehen ist hier auch eine Skulptur aus Grafit, die bei der Weltausstellung 1873 in Wien im Pavillon des Fürsten Schwarzenberg ausgestellt wurde, und danach als Geschenk in die Sammlung der k. k. Geologischen Reichsanstalt, einer Vorgängerorganisation der GeoSphere Austria, aufgenommen wurde.